Warum ist die Dokumentation von Kundenspezifika wichtig? Ganz einfach: Gedanken werden von jedem anders zum Ausdruck gebracht, Sprache ist etwas sehr Subjektives. Das gilt für das Schreiben von Texten gleichermassen wie für das Übersetzen. Dieselbe Idee kann auf verschiedene Weise zu Papier gebracht werden. Lassen Sie denselben Text mal von zwei Personen übersetzen: Sie bekommen bestimmt zwei verschiedene Lösungen.

Und vielleicht ist keine falsch, bzw. man kann nicht leicht sagen, welches nun die bessere Variante ist. Jeder hat eben einen anderen Stil, eine besondere Art den Inhalt auszudrücken. Trotzdem kann es für Übersetzer, Lektoren oder Texter sehr wichtig sein, subjektive Stilpräferenzen aussen vor zu lassen – zum Beispiel, wenn der Kunde eine präzise Corporate Language hat, die auch bei externer Bearbeitung von Texten unbedingt eingehalten werden muss. Oder wenn immer wieder ähnliche Texte veröffentlicht werden, die alle wie aus einem Guss klingen sollen. Wie stellt man also sicher, dass Texte auch über längere Zeit hinweg und wenn mehrere Bearbeiter am Werk beteiligt sind im gleichen Stil gehalten werden?

Das geht nur, indem man besondere Merkmale aus den Texten erfasst, diese festhält und anschliessend bei der Textproduktion berücksichtigt – also durch Dokumentation von Kundenspezifika. Gesammelt werden diese Besonderheiten bei uns in sogenannten Styleguides, die für jeden einzelnen Kunden penibel gepflegt werden, vom ersten Auftrag an. Es handelt sich dabei sozusagen um Rezeptbücher, die erklären, wie Texte zusammengesetzt werden. Für jede einzelne Sprache, versteht sich. Denn im Deutschen gelten ja wieder andere Regeln als im Französischen, Italienischen oder Englischen.

In den Styleguides werden einerseits sprachliche Merkmale festgehalten: Gibt es Stilregeln für Headlines? Wie formell sind die Texte für Printmedien, wie salopp für soziale Medien? Wird der Leser geduzt oder doch besser gesiezt, oder ist das je nach Textart unterschiedlich? Wie lautet der Slogan korrekt in der einen oder der anderen Sprache? Wir notieren auch rein formale Details: Wie wird das Datum geschrieben (mit oder ohne Fugennull, Kurz- oder Langform? Auf Facebook vielleicht anders als im Geschäftsbericht?) und wie die Masseinheiten (auch hier: Kurz- oder Langform, mit oder ohne Leerzeichen nach der Ziffer)? Und die Zahlen: Ab wann werden sie ausgeschrieben, und ab wie vielen Stellen ist bei Ziffern das Tausendertrennzeichen gewünscht, falls überhaupt? Auch wichtig für den Kunden: Wie wird die Telefonnummer, wie die Adresse geschrieben? Sind URLs mit oder ohne www gewünscht? Jeder Kunde hat natürlich ganz eigene Vorstellungen davon, wie ein Text auszusehen hat. Das meiste müssen uns die Kunden auch gar nicht aktiv mitteilen, wie entnehmen die Formalien nach und nach den Texten und sammeln sie bei uns. Wenn etwas nicht einheitlich ist, fragen wir aber nach.

Darüber hinaus arbeiten wir mit einer ganzen Reihe von Referenzen, die für alle oder eben nur für bestimmte Aufträge gelten. Hier muss klar sein: Welche Texte sind relevant, welche sind zwingend, welche sind nur bedingt verbindlich, und welche Referenz hat Priorität im Vergleich zu den anderen? Das sind besonders wichtige Vorgaben, die beim Texten oder Lektorieren zum Tragen kommen. Es soll ja nicht erkennbar sein, dass hier quasi ein «Ghostwriter» am Werk ist.

Ähnlich verhält es sich beim Übertragen von Inhalten in eine andere Sprache. Referenztexte und bestehende Übersetzungen werden in zweisprachigen Textarchiven so abgelegt, dass bei jedem neuen Text vorhandene Textbausteine automatisch gesucht werden, auf die die Übersetzung direkt aufbauen kann. Neue Übersetzungen werden auch wieder dort abgelegt und erweitern somit ständig den Fundus an verfügbaren Textelementen. Das mehrsprachige Textarchiv stellt sicher, dass die vorhandenen Bausteine als Referenz für alle dienen, die an der Übersetzung mitwirken – egal, ob als Übersetzer, als Prüfer oder als Terminologe.

Nicht selten enthalten Texte ganz spezifische Fachbegriffe oder Bezeichnungen von Produkten, Dienstleistungen, Marken, Firmen usw. – und das auch noch in verschiedenen Sprachen. Um hier Einheitlichkeit zu gewährleisten, werden für alle Kunden Glossare aufgebaut und gepflegt. Hier wird ganz detailliert dokumentiert, wie die spezifischen Bezeichnungen geschrieben und übersetzt werden: vielleicht versal, vielleicht gekoppelt, mit hochgestelltem Trademarkzeichen oder ohne, im Koreanischen doch auf Englisch. Dokumentiert wird allerhand: Aus welcher Referenz oder welchem Auftrag kommt der Vorschlag? Oder: Auf welche Produktgruppe bezieht sich ein bestimmter Begriff? Oder welcher Bearbeiter hat die Benennung erfasst, und wer hat sich geprüft, und wann wurde das getan? Somit sind Entscheidungen beim Texten, Korrigieren oder Übersetzen jederzeit nachvollziehbar und dokumentierbar.

Tönt ganz schön kompliziert, dieses Dokumentieren von Kundenspezifika? Ist es eigentlich gar nicht. Die Komplexität meistern wir typisch pedantisch mit unseren ausgeklügelten Systemen. Das spart uns und unseren Kunden Zeit und Ressourcen. Ausserdem können wir uneinheitliche Texte eben einfach nicht ausstehen.

Bruno Ciola, Head of Language Technology