Wie bereits an anderer Stelle in diesem Blog sehr treffend beschrieben, können einen monotone Synchronstimmen auf der Couch zu Hause oder im Kinosessel bisweilen an den Rand des Wahnsinns treiben. Oder doch im besten Fall für Verwirrung sorgen, wenn man wieder minutenlang erfolglos versucht, die Synchronstimme – unverkennbar eine der drei männlichen oder der drei weiblichen Vertreter ihrer Spezies im gesamten DACH-Raum – dem smarten Hollywoodhelden oder der zickigen Serientussi vom letzten Film – zuzuordnen. Abhilfe bringt hier, davon bin ich überzeugt, nur das unverkennbare Stimmoriginal des Schauspielers.

Wer des Englischen (oder jeder anderen x-beliebigen Fremdsprache) nicht mächtig ist, aber dennoch lieber auf Synchronfassungen verzichtet, sitzt hierzulande deshalb gerne im klimatisierten Kinosaal und zieht sich die untertitelte Originalversion rein. Und da wären wir beim heutigen Thema, der Filmuntertitelung. Und … Action!

11 Gedanken zur Filmuntertitelung für Übersetzer und Kinogänger

Ganz egal, ob es um einen abendfüllenden Blockbuster, eine kreative Werbebotschaft oder auch einen filmisch festgehaltenen Liebesschwur geht, ein paar Dinge sollten bei der Filmuntertitelung unbedingt im Hinterkopf behalten werden.

1. In der Kürze liegt die Würze

So kurz wie möglich, so lang wie nötig. Aber immer schön syntaktisch korrekt bleiben, es soll ja kein Telegramm werden. Die Fragen, die sich dem Übersetzer stellen, sind klar: Wie kann ich das Gesagte möglichst präzise und knapp wiedergeben? Was kann ich, wenn der Platz tatsächlich knapp ist, weglassen?

2. Die Hälfte des Inhalts unterschlagen?! Geht gar nicht!

Straight to the point, schön. Aber wir kennen es alle: Gerade eben hat der japanische Sonnyboy mit dem schönen schwarzen Haar einen minutenlangen Liebesschwur ausgesprochen und wir, des Japanischen in der Regel wohl nicht mächtig, werden im Untertitel mit einem platten «I love you» abgespeist. Zu bedenken ist also, dass ein zu Tode gekürzter Untertitel genau so ätzend ist wie ein zu langer Untertitel, den wir nicht zu Ende lesen können. Untertitler achten deshalb darauf, den zur Verfügung stehenden Platz auf jeden Fall zu nutzen und den Zuschauer nicht im Dunkeln tappen zu lassen.

3. Mehr als eine Sprache? Da haben wir den Salat!

Eher der Vergangenheit gehören Kinovorführungen an, bei welchen der Zuschauer sogar drei Sprachen zur Auswahl hat, nämlich die gesprochene Originalaussage, dann eine erste Untertitelsprache auf der ersten und eine zweite Untertitelsprache auf der zweiten Zeile. Wer Glück hat, findet aber noch vereinzelt Kinos, die derartige Leckerbissen auf dem Programm haben. Wem das Kopfschmerzen bereitet, der sei beruhigt, denn es geht auch anders: Zwei verfügbare Zeilen pro Untertitelsprache, die heutzutage in aller Regel zur Verfügung stehen, entspannen nicht nur die Zuschauer, sie eröffnen auch dem Übersetzer ganz neue Perspektiven (doppelt so viel Platz für seine Botschaft nämlich!). Ein bisschen weniger Sprachvielfalt im Kino zwar, dafür dankt der Übersetzer.

4. Auch Untertitel atmen Persönlichkeit

Untertitel sollen wünschenswerterweise nicht nur den Inhalt, sondern auch die Atmosphäre der Szene vermitteln, die Persönlichkeit, vielleicht sogar die Bildungsschicht des Protagonisten preisgeben. Für den Übersetzer stellt sich also die Frage, wie (und ob) er etwa einen ausgefallenen Slang, einen besonderen Dialekt oder eine eigenwillige Ausdrucksweise im Untertitel adaptieren kann.

5. Canale Grande

Nun, welche Kanäle gilt es bei einer Filmuntertitelung zu beachten? Dass der Zuschauer ein multimediales Multitalent sein muss, wissen wir bereits, doch worauf genau schaut der Übersetzer? Folgende Kanäle gilt es im Auge (oder im Ohr) zu behalten und gegebenenfalls auch zu untertiteln: akustisch/verbal (Dialoge, Hintergrundstimmen, Lieder mit Text und Ähnliches), akustisch/non verbal (Musik, Nebengeräusche, Soundeffekte und Ähnliches.), visuell/verbal (Untertitel, Schilder, Bauchbinden1), visuell/non verbal (Bildkomposition, Handlung). Also ganz schön viel.

6. Abkürzung erlaubt – Deixis sei Dank!

Deixis, auch Indexikalität genannt, ist ein Fachbegriff aus der Sprachwissenschaft und bezeichnet die Bezugnahme auf Personen, Gegenstände, Orte und Zeiten im Kontext sprachlicher Äusserungen, die mit Hilfe von deiktischen oder indexikalischen Ausdrücken wie ich, du, dieses, jenes, dort, hier, morgen, heute … erfolgt.2 Aha. Helfen kann die Deixis dem Übersetzer besonders dann, wenn der Platz sehr knapp bemessen ist und er nicht zum x-ten Mal den langen Doppelnamen, den komplizierten Fachtitel des Interviewten oder die umständlich und redundant formulierte Aussage des Sprechers wiederholen kann. «Hans-Jürgen-Cornelius-Leopold» wird so zu «er», aus der «Professorin für angewandte Sprachwissenschaften und Expertin für deiktische Ausdrücke» wird spätestens bei der zweiten Nennung ein «sie». So geht das!

7. Zusammengesetzte Zeiten? Die Zeiten sind vorbei!

Übersetzer sind umtriebige Leute, die gerade bei Untertiteln um jedes Zeichen, jeden Punkt feilschen. Gut, gibt es in vielen Sprachen die Möglichkeit, durch einfache Zeiten ganz schön viele Zeichen einzusparen. So wird im Deutschen denn auch das Präteritum dem Perfekt vorgezogen. «Er kam, sah und siegte», klingt definitiv besser im Präteritum. Aber Vorsicht: Nicht in allen Sprachen funktioniert das Ersetzen problemlos, es gibt durchaus auch Zeiten, die sich nicht gegenseitig substituieren, wie etwas das Passé composé und das Passé simple im Französischen.

8. Fluchen erlaubt, wir sind ja nicht in Amerika!

Filmuntertitelung Fluchen
Fluchen erlaubt! (Quelle)

Fluchen ist in Europa, anders als in Übersee, auch in filmischen Medien und somit auch in der Filmuntertitelung verdammt in Ordnung. Auf kaschierende Piepstöne oder Platzhalterzeichen darf also getrost verzichtet werden. Gleichwohl sollte der Übersetzer im Hinterkopf behalten, dass das geschriebene Wort meist stärker rüberkommt als das gesprochene …

9. Synchron – auch ohne Synchronstimmen

Untertitel sollten nicht nur möglichst kurz und prägnant das Gesagte wiedergeben, sie sollten es auch noch zeitgleich, also synchron mit dem Protagonisten tun. Tönt erst einmal banal. Ist es aber nicht immer. Gerade, da Sprachen nicht immer denselben Spannungsbogen aufweisen, kann es passieren, dass gewisse Untertitel geschickt (und dennoch syntaktisch korrekt) formuliert werden müssen, um die Pointe einer Szene nicht vorwegzunehmen beispielsweise. Zudem wirkt es auf den Zuschauer mehr als verwirrend, wenn bei sehr viel gesprochenem Text derselbe Untertitel lange stehen bleibt oder, noch schlimmer, bereits verschwindet (womit wir wieder bei Punkt 2 wären).

10. Psychologisch clever getrickst

Noch ein letzter Trick aus dem Nähkästchen – dann ist Schluss für heute. Stehen dem Übersetzer bei der Filmuntertitelung zwei Zeilen zu, so bietet es sich an, die obere Zeile weniger zu befüllen als die unter Zeile. Warum? Ganz einfach, der Zuschauer denkt sich «Grandios, die erste Zeile ist geschafft, die zweite schaff ich locker», wohingegen er ins Straucheln gerät, wenn er bereits bei der ersten Zeile hängenbleibt. Psychologie pur!

11. Filmuntertitelung kann noch viel mehr

Untertitelung macht nicht nur Fremdsprachen verständlich. Es gibt hochdeutsche Tatort-Untertitel für unsere deutschsprachigen Nachbarn, Untertitel für Personen mit eingeschränktem Hörvermögen und selbst Untertitel für Menschen mit Autismus. Untertitel sind also wahre Multitalente. Bewiesen hat das eindrücklich diese Sensibilisierungskampagne von Autismus Forum Schweiz, realisiert von der Werbeagentur Ruf Lanz. So schön hat man Kate und Leonardo noch selten dahinschmelzen sehen.

Mehr zum Thema Filmuntertitelung gibts übrigens auch hier oder hier auf unserer Website.

Ruth Oggenfuss, Team Französisch

1 Dabei handelt es sich nicht etwa um ein Nierentäschchen und noch weniger um ein hygienisches Hilfsmittel, sondern um die eingeblendeten Textbalken am unteren Bildrand, die etwa den Namen und die Funktion einer Person preisgeben. Eine Bauchbinde wird normalerweise eingeblendet, kurz nachdem eine Person angefangen hat zu sprechen und wird meist auch untertitelt.

2 Adaptiert nach Claus Ehrhardt; Hans Jürgen Heringer: Pragmatik. (UTB 3480), Fink, Paderborn 2011.