Zugegeben: So anmutig wie im Foto oben kleckst man als Texterin nicht – oder vielleicht nur selten – die Ideen aufs Blatt Papier. Vielmehr ist es der ungeduldig vibrierende Bildschirm, der einen Schaudern macht, fehlt der zündende Gedanke, der selbst dunkelste Welten erhellende Geistesblitz. Denn hatte man fernab des Schreibtischs noch geglaubt, über alles, ja, ÜBER EINFACH ALLES schreiben zu können, so packt einen alsbald reuevolle Demut, will sich die göttliche Eingebung auch nach Stunden der Andacht nicht zu einem herablassen.

Aber zum Glück sind wir in aufgeklärten Zeiten nicht allein auf den göttlichen Support angewiesen. Wir sind Texter aus Leidenschaft, das allemal. Ausserdem haben wir das Handwerk gelernt, verfügen über ein entsprechendes Werkzeug, viel Übung und im besten Fall natürlich über ein Talent, Worte zu finden, die sich nicht nur gut anhören, sondern auch überzeugen und womöglich gar dem einen oder anderen zu Herzen gehen. Zumindest aber Interesse wecken.

Jedenfalls, ganz egal, ob der kurz und knackig formulierte Slogan, der Glück, Glanz, Glorie oder was auch immer verheissende Flyertext, die informationsgespickte Unterweisung für hochglänzende Broschüren oder die auf Du und Du geführte Korrespondenz in den eiligen Netzen: Für jeden Texter gilt es, mit Hilfe von Wörtern Worte zu finden für eine Kund- und Käuferschaft, die auf jeden Fall verstehen oder zumindest ahnen soll, was ihr blüht: eine Verlockung – und ein Versprechen.

Texten: Eine Geschichte wert

Dabei braucht jeder noch so spröde Inhalt eine Geschichte. Das ist vermutlich der einzige, zumindest der wesentliche Kniff beim Schreiben eines Textes. Und die grosse Schwierigkeit. Eine jeweils eigene Dramaturgie zu schaffen, die das vorgegebene Sujet mit Worten zum Leben erweckt, den Leser fesseln und überzeugen kann, ihm die Botschaft – und sei sie noch so profan – als eine Erkenntnis übermittelt, die ihm eine «neue Welt» eröffnet (ob tatsächlich oder nur scheinbar lassen wir dahingestellt). Dafür muss das, was es zu betexten gilt, für den Leser greifbar werden … oder auch unerreichbar bleiben – tja, schon wieder so ein Spagat. Das Produkt – sei es eines zum Anfassen, Anziehen, Aufbrauchen oder einfach nur zum Anstaunen (weil für manch einen womöglich unerreichbar und fern) braucht ein «Woher» und ein »Wohin». Es bedarf sozusagen einer eigenen Genealogie, die sein Erscheinen in der Welt des Begehrens rechtfertigt, und eine Zukunftsprognose, die dem potenziellen Kunden im Hier und Jetzt verheisst, wovon er bitteschön zu träumen wagen soll.

Doch der Ton macht die Musik

Beim «Erfinden» einer solchen Geschichte ist entscheidend, die passende Tonalität zu finden, den «Sound», der die Atmosphäre – ganz unabhängig von den harten Fakten – schafft und bestimmt. Wem erzähle ich meine Geschichte? Wen will ich erreichen? Wen dazu verführen, mir über kurze und auch über lange Zeilen seine Aufmerksamkeit zu schenken? Und wie ist dann der Ton zu wählen? Direkt und offensiv oder bedachtsam und zurückhaltend? Jung, dynamisch, mit Saltos oder episch, bedacht und mit Ruhe? Nah am Leser, empathisch oder fremdartig, um im besten Fall Neugier zu erwecken? Spielerisch oder faktenreich? Zumutung oder Versprechen? – Äonen von Möglichkeiten tun sich da auf …

Und ja, schaut man sich die Historie einzelner Produkte samt deren Betextung an, so findet man ebendiese Vielfalt und Wandlungsfähigkeit natürlich wieder: War sich etwa das bodenständige «Persil. Da weiss man, was man hat.» in den Siebzigerjahren seines Marktwerts ohne grosser Worte gewiss, sind es nach der Jahrtausendwende «Mega-Caps», «Duo-Power» und «Power-Mix», die waschwillige Kunden ohne Zögern zu «perfekter», «strahlender» und «aktiver Reinheit» führen.

Der Ton ändert sich – entsprechend der Neuinterpretation des Produkts und seines Images, gemäss der Adressaten und einfach sowieso über die Jahre. Fazit: Wo also der rechte Ton nicht tönt, da lässt sich kein konsumierender Lauscher nieder … bzw. macht kein Beifall klatschender Tweet die Käuferrunde.

Doch: Am Anfang war das …

… ja, was? Um konkret zu werden, was den Ablauf beim Texten angeht: Eigentlich läuft dies stets nach dem gleichen Muster ab, einem Vorgehen, das sich mit Abweichungen über die Jahre bewährt hat. So erfolgt als erstes das Briefing durch den Auftraggeber, woraufhin der vorliegende Content gesichtet wird. Man recherchiert und sammelt Stoff, schaut, was es beim Kunden selbst, aber auch andernorts zum diesem Thema gibt und gab. Hierbei schafft und ordnet man sich bereits seine kleinen Stapel: a) Fakten, b) Meinungen, c) Sonstiges – (oder so ähnlich). Dann endlich folgt der Teil, der am meisten Spass macht, die Phase mit dem euphorischen «über einfach alles» (siehe oben): das sogenannte Brainstormen, bei dem jeder Gedanke erlaubt ist, alle Assoziationen gewünscht sind und (fast) keine gedanklichen Abwege unterbunden werden. Hier darf erst einmal einfach alles aufs Papier. Einzelne Wörter, Gedankenfetzen, grob und krude formulierte Ein- oder Ausleitungen, Wortbilder, Zitate … Kristallisiert sich hier schon ein bestimmter Tonfall heraus: Bravo!, und noch dazu eine Art Geschichte: Sapperlot!

Es folgt das Anlegen einer Struktur und die Gliederung, wenn es sich um eine umfangreichere Textform handelt. Dann heisst es «schlicht»: texten, überarbeiten, texten, überarbeiten, überarbeiten, überarbeiten … Steht der Text, freut man sich und legt ihn, wenn die Zeit es erlaubt, beiseite. Denn das Überarbeiten nimmt in der Regel nach solch einer Reifungsphase kein Ende. Doch ist auch diese Zeit abgelaufen, übergibt man Lektorat und Korrektorat vertrauensvoll in die Hände sachkundiger, kritischer und (hoffentlich)!) wohlmeinender Kollegen. Und man hofft, der Text findet wiedererkennbar zurück auf den eigenen Schreibtisch. Schliesslich versendet man ihn und fiebert nun nur noch der Antwort des Kunden entgegen. Wie sie auch ausfallen mag, man wünscht sie sich schnell.

Denn auch wenn es, wie eingangs erwähnt, ein geübtes Handwerk ist, so ist die Entstehung eines Textes jedes Mal aufs Neue eine Unternehmung, die einem Abenteuer gleicht. Ein Abenteuer, dessen jeweils ureigene Geschichte sich bestenfalls im Text wiederfindet, die ihn einzigartig und lesenswert macht – und das nicht nur für den Schreiber selbst.

Werbung selbst erfahren

Dass sich «wahre» Geschichten hinter auf den ersten Blick noch so banal daherkommenden Texten verbergen, beweist die kleine Anekdote über einen berühmten Kollegen:

Für seinen verheissungsvollen Slogan «Ein Auto, in dem man überlebt» wurde kein Geringerer als Bertolt Brecht vom Automobilhersteller Steyr mit einem neuen Fahrzeug entlohnt. Ob ein solcherart beschriftetes Werbebanner heute noch den Nerv einer potenziellen Käuferschaft träfe, lassen wir einmal dahingestellt sein. Interessant ist aber, dass diese Werbelosung bereits das Resultat eines Folgeauftrags war, denn der in Geldnot geratene junge Brecht hatte Steyr vormals folgenden Handel unterbreitet: «Biete Werbegedicht, möchte Straßenkreuzer». Steyr, der sich darauf einliess, erhielt vom Dichter folgende Zeile: «Unser Motor ist: Ein denkendes Erz» … und überstellte ihm ohne Murren das ausgehandelte Fahrzeug. Eben dieses jedoch steuerte der jugendliche Held alsbald in den Graben und fuhr es zu Schrott … Selbst hatte aber überlebt. Et voilà, der neue Slogan (siehe oben) hatte sich quasi schon von selbst geschrieben.

Texterin, Deutsch-Team

Foto: Pixabay

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