Es gibt eine ganz besonders kreative Art der Übersetzung, die immer häufiger gefragt ist. Und zwar immer dann, wenn eine wortgenaue Übersetzung für den Leser vielleicht unverständlich oder fehl am Platze wäre. Bei vielen Textsorten – zum Beispiel in den Bereichen Marketing und Werbung – bedarf es nämlich einer Übersetzung, die eben nicht starr am Ausgangstext klebt und ihn Wort für Wort widergibt. Diese Art der Anpassung auf kulturellem Niveau nennt man Transkreation, eine Kombination aus den Begriffen Übersetzung (Translation) und Schöpfung (Kreation) – also quasi eine kreative Übersetzung.

Was passiert bei der Transkreation?

Die Transkreation ist ein Vorgang, bei dem weniger bestimmte Worte, sondern eher eine bestimmte Vorstellung auf kreative Art und Weise in die Zielsprache übersetzt wird, um so die Leser auf der Gefühlsebene anzusprechen – durch eine freiere und weniger an den Ausgangstext gebundene Übersetzung. Das Ziel, aber auch die Herausforderung bei der Transkreation besteht darin, sich vollständig vom Original zu lösen und in die Welt des Zielpublikums einzutauchen: Der Text soll im zielsprachlichen Leser das gleiche Gefühl hervorrufen, wie das Original im Leser der Ausgangssprache.

Wann ist eine Transkreation die richtige Wahl?

Vor allem bei Werbe- und Marketingtexten, die den Leser mit Hilfe von ganz spezifischen sprachlichen Verweisen überzeugen sollen. Häufig geht es dabei um Redewendungen oder um Referenzen kultureller oder geografischer Art, die quasi unübersetzbar sind und vielleicht nicht mal von den eigenen Landsleuten verstanden werden, wenn diese zum Beispiel aus einer anderen Region kommen.

All das stellt einen höheren Anspruch an den Übersetzer. Es geht nicht nur darum, beide Sprachen zu beherrschen – auch kommunikative Erfahrungen im Bereich des Zielmarkts sowie ein grosses Mass an Kreativität sind hier gefragt. Schliesslich soll ein Text entstehen, der das Publikum nicht nur erreicht, sondern auch bewegt. Der Transkreationsprozess kann daher (etwa bei einem Slogan, einer Broschüre oder einer kompletten Werbekampagne) deutlich mehr Zeit beanspruchen als eine «normale» Übersetzung.

Beispiele für Transkreation

Beim Prozess der Transkreation verlangen vor allem idiomatische Ausdrücke tiefer gehende Überlegungen vom Übersetzer. Ein einfaches Beispiel: Würde ein schottischer Regenschirmproduzent in der deutschen oder italienischen Version seiner Website die wörtlichen Übersetzungen «es regnet Katzen und Hunde» bzw. «piovono gatti e cani» als Slogans verwenden, so wären die Leser erst einmal verdutzt (in Italien wohl noch etwas mehr als im deutschsprachigen Raum). Selbst wenn die Leser über ausreichende englische Kenntnisse verfügen, würden sie zwar erkennen, dass es sich um eine idiomatische Wendung handelt, die einfach schlecht übersetzt wurde – aber dadurch wird ihr Urteil über den Regenschirmhersteller sicher nicht besser. Eine gute Lösung wäre hier auf Deutsch beispielsweise «es schüttet wie aus Kübeln» und auf Italienisch «piove a catinelle» («es regnet in Waschschüsseln»). Diese Ausdrücke lösen in den Zielsprachen das Gefühl aus, das ein Brite verspürt, wenn er «it’s raining cats and dogs» liest. Nicht durchdachte Übersetzungen können für das Unternehmen einen starken Imageschaden und schwindendes Vertrauen im Zielsprachenmarkt bedeuten. Grosse multinationale Unternehmen achten daher immer auf soziokulturelle Unterschiede zwischen den Ländern, in denen sie präsent sind. So passt zum Beispiel McDonald’s nicht nur die einzelnen nationalen Websites kulturell an, um die Kunden anzusprechen, sondern auch die Menüs. Die Kunden sollen sich ja in den Restaurants «wie zu Hause» fühlen, wenn ihnen der McRaclette (für die Schweiz) oder der McItaly mit Asiago und Brot mit Olivenöl serviert werden.

Der Fast-Food-Gigant ist darüber hinaus für seine Werbekampagne rund um den Slogan «I’m lovin’ it» bekannt, der für den italienischen Markt im Original gelassen und nicht übersetzt oder transkreiert wurde. In den deutschsprachigen Ländern hingegen wurde der Slogan mit «Ich liebe es» wörtlich übersetzt.

Auch die deutsche Supermarktkette Lidl verändert ihre Werbekampagne für jeden Markt, in dem sie agiert. So wurde das deutsche Original «Lidl lohnt» sich in Italien zu «Lidl è per te» («Lidl ist für dich») und in der italienischen Schweiz zu «Lidl conviene sempre» («Lidl passt immer»).

Ein weiteres Beispiel: Seit Jahrzehnten bringen Disney-Figuren Kinder überall auf der Welt zum Träumen. Die meisten Namen wurden dabei auf kreative Art und Weise für verschiedene Länder passend gemacht, fürs Deutsche ebenso wie fürs Italienische: Paperino (Donald Duck; wörtlich: kleine Ente), Topolino (Mickey Mouse; wörtlich: kleine Maus), Zio Paperone (Uncle Scrooge; auf Deutsch: Dagobert Duck; wörtlich etwa: grosser reicher Entenonkel), Qui, Quo und Qua (Huey, Dewey und Louie; auf Deutsch Tick, Trick und Track; hier orientiert sich die italienische Namensgebung an den Lauten einer Ente).

Zu guter Letzt: Ein äusserst erfolgreiches Beispiel für eine Transkreation ist der italienische Name des deutschen Unternehmens Dr. Oetker: Der Name wurde zunächst mit «cammeo» («Kamee») übersetzt, um auf das Logo der Marke zu verweisen. Später wurde der Name zum heutigen «cameo» geändert, um die Marke für italienische Hörgewohnheiten noch eingängiger und somit authentischer zu machen.

Texter, Team-Italienisch