Das Bundesgericht hat gesprochen: Mit seinem Urteil vom 21. Juni 2016 rügt es das Kantonsgericht von Graubünden wegen mangelnder Transparenz der Rechtsprechung. Hintergrund dieses Urteils war die Recherche einer Journalistin zu einem Unfall im Eiskanal in St. Moritz, bei dem das Opfer einen Fuss verloren hatte. Die Journalistin ersuchte um Einsichtnahme in zwei Urteile des Kantonsgerichts zur strafrechtlichen Verantwortung derjenigen Person, die zur Zeit des Unfalls für den Gesamtbetrieb des Eiskanals zuständig war.
Das Kantonsgericht lehnte das Gesuch der Journalistin mit der Begründung ab, dass Urteile erst ab ihrer Rechtskraft im Internet publiziert würden. Diese Entscheidung wird vom Bundesgericht nicht geschützt: Mit seiner Praxis, die Einsicht auf rechtskräftige Urteile zu beschränken, untergrabe das Kantonsgericht die Kontrollfunktion der Medien. Urteile seien grundsätzlich generell bekannt zu geben, dies könne neben der mündlichen Verkündigung auch durch öffentliche Auflage, Publikation in amtlichen Sammlungen oder im Internet geschehen.
So weit also ganz kurz zusammengefasst das Urteil des Bundesgerichts (siehe auch Artikel in der NZZ). Hier soll nun aber nicht das (wegweisende) Urteil besprochen werden, sondern ich möchte diesen aktuellen Fall zum Anlass nehmen, die Tätigkeit des Bundesgerichts etwas zu beleuchten. Das Bundesgericht entscheidet als letzte Instanz über Rechtsstreitigkeiten zwischen einzelnen Bürgern, zwischen Bürgern und staatlichen Behörden (so ist im vorliegenden Fall die Journalistin mit einer Beschwerde gegen den Entscheid einer kantonalen Behörde an das Bundesgericht gelangt), zwischen Kantonen und zwischen Bund und Kantonen – und schützt die durch die Bundesverfassung garantierten Rechte der Bürger. Das Bundesgericht hat dafür zu sorgen, dass das Bundesrecht in allen Kantonen der Schweiz einheitlich angewendet wird und die bundesrechtlichen Schranken in der Rechtsetzung, Rechtsanwendung und Rechtsprechung nicht überschritten werden. Die Urteile fällt es in der Regel in einer Besetzung von drei Richtern (dies war auch im vorliegenden Fall so); nur wenn es um eine besonders wichtige Rechtsfrage geht (auf gut Juristendeutsch: eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung), werden fünf Richter benötigt.
Und in welcher Sprache werden die Urteile gefällt? Das ist wohl der Punkt, der die Sprachbegeisterten unter uns am meisten interessiert … Die Urteile werden in der Sprache des angefochtenen Urteils verfasst (vorliegend also in deutscher Sprache) und nicht übersetzt. Lediglich die Regesten der Leitentscheide sind immer auf Deutsch, Französisch und Italienisch verfügbar. Und zum Schluss noch ein Hinweis für das richtige Zitieren: Die offizielle Abkürzung für Entscheidungen des Bundesgerichts ist «BGE», das Bundesgericht wird mit «BGer» abgekürzt.
Leiterin Fachbereich Recht