Gendern und genderneutral schreiben auf Italienisch
Gendern und genderneutral schreiben auf Italienisch – wie geht das? Viele Kunden stellen uns diese Frage. In einigen Sprachen (wie Englisch) ist es relativ leicht, neutral zu schreiben, und genderneutrale Ausdrücke werden routiniert genutzt. In anderen Sprachen – und dazu gehört das Italienische – sieht die Sache mit dem Gendern komplizierter aus. Dennoch gibt es gute Möglichkeiten, die ich euch weiter unten gleich mal zeige.
Sprachliche Gleichbehandlung wurde in Italien zwar Anfang der 1980er-Jahre durch Alma Sabatini ins öffentliche Licht gerückt, auch in der Politik wird das Thema diskutiert, doch für spezifische wissenschaftliche Projekte gibt es kaum Finanzierung. Allerdings wurden in den letzten Jahren z. B. von der Accademia della Crusca einige Massnahmen umgesetzt, mit besonderem Fokus auf die Verwendung von gendergerechten Berufsbezeichnungen.
Wie gendert man in Italien und in der Schweiz?
Da gibt es auf jeden Fall Unterschiede. Der deutschsprachige Teil der Schweiz ist heute die treibende Kraft für sprachliche Gleichbehandlung auch in den italienischsprechenden Kantonen. Ein Leitfaden für offizielle Texte wurde vom Bund erstmals 2003 veröffentlicht (hier die Version 2012), auch die Schweizer Bundeskanzlei hat einen Leitfaden für Italienisch erstellt, nach dem sich viele Schweizer Unternehmen und Organisationen richten.
Generell ist Italien sprachlich und kulturell konservativer als die italienischsprachige Schweiz. Bei Schweizer Institutionen haben sich z. B. Bezeichnungen wie «consigliera federale» und «cancelliera» etabliert; in Italien redet man nach wie vor eher von «ministro» und «direttore» – auch, wenn die Funktion von einer Frau ausgeübt wird. Auch Formulierungen wie «il giudice donna» und «il militare donna» sind in Italien ziemlich verbreitet. Es herrscht dort auch eine generelle Unsicherheit, selbst unter Personen, die gerne gendern und sich sprachlich auskennen – beispielsweise, wenn eine Politikerin politisch korrekt «presidenta» genannt werden möchte, was grammatikalisch jedoch falsch ist.
Generisches Maskulinum herrscht vor
Rein sprachlich sieht es so aus: Im Italienischen beeinflusst das grammatikalische Geschlecht alle Sprachelemente, die sich darauf beziehen (Artikel, Adjektiv, Pronomen). Das kann dazu führen, dass die Texte schwerfällig und lang werden, wenn man sowohl die männliche als auch die weibliche Form nutzt – noch mehr als z. B. im Deutschen. Aus diesem Grund greift die Mehrheit der Schreibenden weiterhin auf das generische Maskulinum zurück – es ist einfach sehr unkompliziert zu nutzen.
Immer mehr Menschen möchten dennoch Gleichberechtigung auch sprachlich ausdrücken und Wege finden, die vom generischen Maskulinum wegführen. Wir als Übersetzer/-innen folgen natürlich deinen Ansprüchen und nutzen je nach Wunsch diverse Strategien zum Gendern oder genderneutralen Schreiben – oder eben das generische Maskulinum, falls dies gewünscht ist.
Wenn man aber inklusive Sprache verwenden möchte, was sind die Möglichkeiten auf Italienisch?
Gendern vs. genderneutrales Schreiben
Zunächst einmal: Was ist überhaupt der Unterschied zwischen gendern und genderneutralem Schreiben? Ganz einfach: Gendern bedeutet, dass man die weibliche und die männliche Form eines Wortes sichtbar macht. Die genderneutrale Sprache hingegen gibt keinen Hinweis auf ein Geschlecht, sondern nutzt Umschreibungen sowie neutrale Ausdrücke, die mit keinem Geschlecht assoziiert werden. Die genderneutrale Form schliesst also auch nicht-binäre Menschen mit ein.
Auf Italienisch ist beides möglich. Sehen wir uns also beide Optionen nacheinander an.
Wie gendert man auf Italienisch?
Da Formen mit Schrägstrichen, Sternchen usw. im Deutschen sehr verbreitet sind, haben wir oft mit italienischen Übersetzungen zu tun, in denen eine ähnliche Lösung erwünscht ist. Hier greifen wir meist auf Verdoppelungen und Formen mit Schräg- und Bindestrich zurück, beispielsweise im Fall des Wortes für Mitarbeiter/-in:
- Collaboratore/collaboratrice oder collaboratori e collaboratrici: komplette Verdoppelung
- Collaboratore/-trice (Einzahl) oder collaboratori/-trici (Mehrzahl): Das ist eine gute Lösung, falls im Text keine anderen Elemente (wie Artikel, Adjektive oder Präpositionen) vorkommen, die das Geschlecht anzeigen
- Falls solche Elemente vorhanden sind, gibt es folgende Option: il/la collaboratore/-trice (Artikel) oder del/della collaboratore/-trice (Präposition)
- Falls drei oder mehr solcher Elemente im Satz vorhanden sind, setzt man wieder auf komplette Verdoppelung, nur wird es lang: I nostri bravi collaboratori/le nostre brave collaboratrici (nicht so: I/Le nostri/-e bravi/-e collaboratori/-trici)
Diese Strategien werden gerne genutzt. Sie können die Lektüre jedoch etwas schwerfällig machen, vor allem, wenn sie sich im Text stark häufen. Falls du also kein Fan von Schräg- und Bindestrichen bist, aber dennoch gendergerecht schreiben möchtest, findest du im nächsten Punkt gute Tipps für eine neutrale Ausdrucksweise.
Wie schreibt man genderneutral auf Italienisch?
Da beim genderneutralen Schreiben gänzlich auf Gendermerkmale verzichtet wird, entstehen auch keine komplexen Verdoppelungen. Hier einige Möglichkeiten:
- Subjekt ändern, sodass kein (gegendertes) Partizip Perfekt verwendet werden muss: Quanto sei soddisfatto del nostro servizio? → Quanto ti soddisfa il nostro servizio?
- Synonyme für Verben, Substantive und Adjektive finden: Sei famoso? → Sei celebre?
- Substantive, Pronomen und Adjektive weglassen, damit stattdessen das Verb das Subjekt definiert: Sei un traduttore? → Traduci per lavoro?
- Die Passivform benutzen: I collaboratori devono inviare il proprio dossier entro… → Il dossier deve essere inviato entro…
- Indefinite Pronome verwenden: Coinvolgete il lettore → Coinvolgete chi legge
- Das Wort «Willkommen» ersetzen. Im Deutschen stellt das Wort kein Gender-Problem dar. Auf Italienisch müsste man jedoch zwischen den verschiedenen Formen differenzieren (benvenuto/benvenuta/benvenuti/benvenute; eine neutrale generische Form gibt es nicht). Hier verwenden wir z. B. ein Substantiv statt dem Adjektiv: Ti diamo il benvenuto/Un caloroso benvenuto
- Neutrale Substantive: Das Italienische bietet hier eine gute Auswahl, auch wenn sie nicht so häufig wie im Deutschen und stilistisch oft etwas unschön sind:
dottori → personale medico, équipe medica
infermieri → personale infermieristico
professori, docenti, insegnanti → corpo docente, personale docente, corpo insegnante
collaboratori → personale
dirigenti, presidenti → dirigenza, presidenza
attori → cast
scienziati → comunità scientifica
Du siehst, es gibt hier eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Viele unserer Kundinnen und Kunden wünschen beispielsweise eine Kombination aus vollen Doppelformen und neutralen Ausdrücken. Wenn du dir unsicher bist, was für euer Unternehmen das Richtige ist, beraten wir dich gerne dazu.
Übrigens: Bei Diction versuchen wir für Italienisch schon seit jeher, neutrale Formen zu verwenden. Denn auch abgesehen von Genderneutralität gibt es da zum Beispiel die doppelte Sie-Form (Lei/voi) und die verschiedenen Endungen bei den Pluralformen, die Texte oft komplex und lang machen. Es ist auf jeden Fall immer interessant, neue Lösungen zu finden und dabei gewisse Formen zu vermeiden, damit der Text lesefreundlich bleibt und gleichzeitig eine breite Leserschaft anspricht.
Was sind weitere Möglichkeiten des Genderns auf Italienisch?
Hier noch ein Blick auf die etwas exotischeren Varianten, die sich im Moment noch nicht in der breiten Öffentlichkeit durchgesetzt haben.
Endungen auf -u
In vielen Sprachen existieren genderneutrale Personalpronomen, wenn man sich nicht auf ein Geschlecht festlegen möchte. Im Italienischen sind Pronomen nicht das grösste Problem, da man sie gut einfach weglassen kann. Was passiert aber mit den anderen Elementen?
Auf Italienisch gibt es schriftlich nur fünf Vokale: a, e, i, o und u. Die ersten vier sind bereits als Endung für ein spezifisches Gender oder für Einzahl/Mehrzahl in Verwendung. Da bleibt also nur das u übrig. Dieses wird manchmal auch für genderneutrale Endungen genutzt, jedoch sind diese nicht «offiziell».
Benvenutu, bellissimu
Das Problem: Zwischen Singular- und Pluralform lässt sich hier nun nicht mehr unterscheiden – alle weiteren Vokale haben ja bereits eine feste sprachliche Funktion. Zudem wird das u in vielen Regionen fast wie ein o ausgesprochen: Es wirkt also «männlich».
Weitere alternative Endungen
Ebenfalls zur Diskussion stehen Endungen mit Asterisk, @-Symbol, Bindestrich usw.
Benvenut*, bellissim*; Benvenut@, bellissim@; Benvenut-, bellissim-; Benvenut, bellissim
Eine neutrale Endung ist auch mit -x und -y möglich: Benvenuty, bellissimy
All diese Formen sind sehr informell. Auch hier kann jedoch nicht zwischen Singular und Plural unterschieden werden, und die Wörter sind schwer bis unmöglich auszusprechen. Vor allem in lockerem, kurzlebigem Content, etwa in den sozialen Medien, könnten die Formen jedoch eine Option sein (zumal die Texte ja normalerweise nicht vorgelesen werden und man die Wörter also nicht laut aussprechen muss). Natürlich auch, wenn man explizit Texte für eine nicht-binäre Leserschaft schreiben möchte. Offiziell oder viel genutzt sind diese Formen jedoch nicht.
Schwa: Ein Kandidat für das Neutrum?
Auch interessant: Obwohl es erst seit 2020 Teil der politischen Debatte ist, wird schon länger über den Schwa-Laut als Kandidat für das Neutrum diskutiert. Das Schwa ist ein mittlerer Zentralvokal, den viele Sprachen benutzen und den wir z. B. vom Englischen (again) und von gewissen italienisch-romanischen Sprachen wie dem Neapolitanischen kennen.
Die Idee ist: Das kurze Schwa steht für den Singular (ǝ) und das lange Schwa für die Pluralform (з). Für einige sind diese Laute jedoch schwierig auszusprechen, da sie im Italienischen nicht vorkommen. Der Unterschied in der Aussprache zwischen Singular und Plural ist zudem minimal. Dazu kommt noch, dass beim elektronischen Schreiben diese Symbole nicht sehr verbreitet sind.
Du brauchst Hilfe beim Gendern auf Italienisch?
Melde dich unverbindlich! Wir helfen dir, die passenden Formen für dein Unternehmen festzulegen. Individuelle Überlegungen sind wichtig, denn Finanzinstitute wünschen z. B. meist andere Lösungen als eine Tourismus-Organisation. Am besten fügt ihr eure festgelegten Regeln zur inklusiven Sprache dann auch in euren Tone of Voice bzw. in euren Styleguide ein. So wissen alle Teams und Abteilungen genau, wie euer Unternehmen kommuniziert. Auch dabei unterstützen wir dich!