Bei Übersetzungen von rechtlichen Schriftstücken scheiden sich die Geister: Die einen lieben die Herausforderungen von rechtlichen Texten, den anderen reicht schon das Wort «Recht» und sie sind über alle Berge. Bei uns gibt es glücklicherweise genügend «legal eagles», die sich mit Feuereifer auf juristische Dokumente stürzen.
Was muss ein Rechtsübersetzer besonders beachten?
1. Terminologie
Besonders verzwickt wird es jeweils dann, wenn ein Begriff im Rechtsbereich eine andere Bedeutung hat oder anders verwendet wird als im alltäglichen Sprachgebrauch. Wir sehen das am Beispiel von «Besitz» und «Eigentum». Besitz bezeichnet die tatsächliche Herrschaft über eine Sache, während Eigentum das Recht ist, in den Schranken der Rechtsordnung über eine Sache nach Belieben zu verfügen. Es kann also durchaus vorkommen, dass Besitz und Eigentum auseinander fallen: ein Dieb wird (zumindest in der Schweiz) nie Eigentümer der gestohlenen Sache, sondern nur Besitzer. Soll nun der Begriff ins Englische übersetzt werden, ist zu prüfen, ob es in der englischen Rechtsterminologie diese Unterscheidung ebenfalls gibt oder ob dort der Begriff weiter gefasst ist als bei uns. Ein anderes Beispiel ist der an Vermögenswerten «wirtschaftlich Berechtigte». Im Englischen ist das der «beneficial owner» und nicht etwa der «economic beneficiary»!
2. Gesetze zitieren
Im Englischen wird beim Zitieren von Gesetzestexten «Article» immer ausgeschrieben – ganz anders dagegen im Deutschen, wo grundsätzlich zu «Art.» abgekürzt wird. Eine weitere Besonderheit des englischen Zitierens ist, dass die Absätze und Ziffern bzw. Buchstaben eines Artikels jeweils in Klammern angegeben werden. «Art. 59 Abs. 1 lit. a StGB» sieht dann im Englischen so aus: «Article 59(1)(a) of the Swiss Criminal Code».
3. Vertragssprache
In deutschen Verträgen verwendet man das Präsens, um vertragliche Gebote auszudrücken. Für Empfehlungen benutzt man den Begriff «soll» (dies entspricht «should», «devrait», «dovrebbe» im Englischen, Französischen bzw. Italienischen). Das englische «shall» und das französische/italienische Futur/Präsens drücken eine bindende Verpflichtung aus und dürfen im Deutschen nicht mit «sollen» übersetzt werden. Man kann hier beispielsweise den Begriff «verpflichten» gebrauchen.
4. Zeitangaben
Wörter wie «period», «date», «day» (EN), «période», «date», «jour» (FR), «periodo», «data», «giorno» (IT) werden bei Zeitangaben nicht ins Deutsche übersetzt. «Ma non prima dalla data d’entrata in vigore» wird im Deutschen also zu «Jedoch nicht vor (dem) Inkrafttreten».
5. Urkundenübersetzen
Wichtig für den Rechtsübersetzer: Eine beglaubigte Übersetzung muss alle Beglaubigungsvermerke, Apostillen, handschriftlichen Zusätze, Wasserzeichen, Stempel, Siegel, Gebührenmarken, Unterschriften, Verwischungen, verblichene Stellen, Flecken usw. erwähnen. Zudem müssen das Layout und Schriftbild möglichst genau dem Ausgangstext angeglichen werden (Abstände, Spalten, mittiger Text, Kursivschrift, Text in Grossbuchstaben, Schriftgrössenunterschiede usw.). Der Übersetzer darf ausserdem den Inhalt des Ausgangstexts nicht einfach eigenmächtig abändern, sondern muss die Fehler und Besonderheiten übernehmen und allenfalls in einer Anmerkung auf die Fehler im Ausgangstext hinweisen.
Benötigen Sie eine juristische Übersetzung? Unsere erfahrenen Rechtsübersetzer sorgen dafür, dass Ihr Dokument fachterminologisch korrekt übersetzt wird.
Leiterin Fachbereich Recht
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