«80 Prozent sind mental. Der Rest ist Kopfsache»
Irgendjemand hat das mal gesagt, und es stimmt: Im Sport spielt der mentale Aspekt eine wichtige Rolle. Inzwischen sind es nicht mehr nur die Profisportler, die Mentaltraining machen – auch viele Hobbysportler haben es für sich entdeckt. Es gibt viele Arten von Mentaltraining und jede Technik kann funktionieren. Man muss einfach das Richtige für sich finden und davon überzeugt sein. Ich gehe noch einen Schritt weiter und behaupte, dass mentales Training in allen Lebenslagen hilfreich ist – auch im manchmal stressigen Berufsalltag.
Mein Sport ist der Triathlon. Dafür mache ich kein eigentliches Mentaltraining, wie es im Buche steht, aber trotzdem bediene ich mich gewisser Techniken, die mir helfen, meine sportlichen Ziele zu erreichen und auch andere Situationen gut zu meistern. Unser Unterbewusstsein können wir vielleicht nur indirekt steuern. Was wir aber steuern können, sind unsere Gedanken. Wer diese Technik gezielt einsetzt, hat eine gute Basis.
Nervosität in Energie umwandeln
Vor dem Start eines Wettkampfs bin ich immer sehr nervös. Das äussert sich in Unruhe; in Gedanken male ich mir die schlimmsten Szenarien aus. Ich fühle mich wie ein Sprengkörper, der jeden Moment explodieren könnte. Ich bin dann eine geballte Ladung Energie – aber das ist gut so, schliesslich brauche ich das für die bevorstehende sportliche Herausforderung. Und so kann ich den Zustand positiv nutzen. Ich versuche, ruhig zu atmen und die Energie in mir zu behalten – bis zum Startschuss. Dann darf es so richtig knallen und der Energie wird Luft gemacht.
Es braucht etwas Übung, Erfahrung und vor allem auch Kopfbilder, die für einen persönlich funktionieren. Ich bin nicht der «Gschpürsch mi, fühlsch mi»-Typ, aber ich habe gelernt, wie wichtig es ist, positiv zu denken. Logisch, oder? Trotzdem ertappe auch ich mich immer wieder dabei, dass ich Gründe dafür suche, warum ich scheitern werde. Diese Gedanken schiebe ich jedoch schnell wieder beiseite, und stattdessen versuche ich, Erfolge zu visualisieren. Ich denke an einen Wettkampf, den ich erfolgreich bestritten habe. Ich versuche, das Gefühl nachzuempfinden, das ich damals beim Überqueren der Ziellinie hatte. Sofort bin ich wieder motiviert, zu trainieren und mich für den nächsten Triathlon anzumelden.
Wenn dann erneut Zweifel aufkommen, ob ich das gesteckte Ziel erreichen werde, versuche ich dieses Ziel zu visualisieren. Ich gehe den Plan, den ich mir zurechtgelegt habe, genau durch: Beim Schwimmstart hänge ich mich an die Füsse einer schnellen Gruppe und profitiere vom Wasserschatten. Mit langen, kontrollierten Zügen geht es flott dem Wechsel entgegen. Dort sitzt jeder Handgriff: Neopren aus-, Schuhe, Startnummer und Helm anziehen. Auf der Radstrecke spiele ich meine Stärke aus und drücke hohe Gänge. Das zügige Tempo ziehe ich bis zum Wechsel in die Laufschuhe durch. Auf der Laufstrecke bin ich dann am Beissen. Die Beine schmerzen, der Puls rast, und es ist heiss, aber ich pushe weiter. Ich weiss, das Gefühl danach wird dafür umso schöner sein.
Zwei Ziele setzen
Natürlich läuft nicht immer alles exakt nach Plan, aber grundsätzlich ist es möglich, das Ziel umzusetzen. Sonst hat man ganz einfach ein unrealistisches Ziel gesetzt, und das Scheitern vorprogrammiert. Ich empfehle daher immer, sich zwei Ziele zu setzen. Das erst lautet beispielsweise «auf keinen Fall länger als 2 Stunden». Dieses Ziel sollte gut machbar sein, wenn nicht etwas komplett schiefläuft (z. B. ein Defekt am Velo). Trotzdem sollte man sich dafür anstrengen müssen. Das zweite Ziel sollte sehr hoch gesteckt sein, aber auch nicht unerreichbar. Dieses Wunschziel kann nur geschafft werden, wenn man sich gut vorbereitet hat, am Renntag alles glatt läuft und man über sich hinauswachsen kann. Übrigens: Diese Technik funktioniert auch im Job. Hat man ein komplexes Projekt auf dem Tisch oder eine anspruchsvolle Telefonkonferenz vor sich, setzt man sich die beiden Ziele: Was muss ich unbedingt erreichen bzw. was wäre ein richtig sensationeller Erfolg? Anders als beim Sport kann man diese Ziele sogar aufschreiben und während der Arbeit ständig als Motivation vor Augen haben.
Komfortzone verlassen
Als effektivstes Mentaltraining sehe ich jedoch immer noch das Verlassen der Komfortzone. Sei das bei einem extrem harten Training, bei einer eiskalten Dusche oder aber auch, indem ich mich traue, fremde Menschen anzusprechen. Ich suche immer wieder neue Gelegenheiten, mich aus der Reserve zu locken. Dadurch dass ich mir dafür immer wieder einen kleinen oder manchmal auch einen sehr grossen Ruck geben muss, habe ich gelernt, dass die eigenen Grenzen nur Kopfsache sind. Auch bringt mich nichts mehr so schnell aus der Ruhe – weder im Wettkampf noch im Alltag. In diesem Sinne: Keine Herausforderung ist zu gross. Es ist alles nur eine Frage der Einstellung (und vielleicht gehört doch noch ein bisschen Training dazu).
Wer mehr zu dem Thema weiterlesen möchte, hier ein sehr spannender Artikel.