Wer meint, Gendern auf Deutsch wäre kompliziert, sollte unbedingt diesen Beitrag lesen. ? Beim Gendern auf Französisch gibt es nämlich auch sehr viele Möglichkeiten. Als Übersetzerin beschäftige ich mich erst seit einigen Jahren intensiv mit diesem Thema. Denn lange Zeit war das generische Maskulinum die Regel, und die weibliche Form wurde – wenn es nicht explizit nur um Frauen ging – gar nicht verwendet. Wieso? Es gibt verschiedene Theorien, die teilweise polarisieren und auf die ich hier nicht näher eingehen werde.

Auf jeden Fall: In der französischen Grammatik gilt heute noch die Regel «le masculin l’emporte sur le féminin». Das bedeutet konkret: Wenn sich in einem Satz ein Adjektiv oder ein Partizip auf eine Gruppe bezieht, die aus männlichen und weiblichen Nomina besteht, wird das Adjektiv bzw. Partizip mit der Endung des Maskulinums angeglichen. Diese Grammatikregel habe ich bereits in der Schule gelernt und wende sie somit schon immer an. Das heisst aber nicht, dass ich sie fair finde.

Modeerscheinung oder nachhaltiger Wunsch?

In den letzten Jahren hat das Gendern immer mehr an Bedeutung gewonnen. Dies hängt wahrscheinlich mit den feministischen Bewegungen zusammen, die sich dafür verstärkt einsetzen. Warum sollte eine Frau, die eine Stadt leitet, mit «Madame le maire» und nicht mit «Madame la maire», also mit weiblichem Artikel angesprochen werden? Das ist nur ein Beispiel für die gendergerechte Sprache auf Französisch, an die wir uns alle immer mehr gewöhnen müssen. In der Westschweiz wird im Jahr 2023 eine Rechtschreibreform stattfinden. Daraufhin wird es nicht nur neue Schulbücher geben, sondern die Kinder werden für das Gendern sensibilisiert. Für mich ist das Gendern also alles andere als eine Modeerscheinung, sondern wird vielmehr irgendwann die Regel sein.

Gendern auf Französisch – Wie geht das?

In meiner täglichen Arbeit habe ich mich letztes Jahr sehr intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt und auch Weiterbildungen für das Diction-Französischteam darüber gehalten. Denn im Französischen gibt es viele Möglichkeiten, gendergerecht zu schreiben. Hier die bekanntesten Optionen:

  1. Vor noch nicht so langer Zeit wurde die Klammer verwendet. Hier ein Beispiel: «les collaborateurs(trices)». Mittlerweile steht diese Lösung nicht mehr an erster Stelle, weil die Klammer abwertend erscheinen kann.

  2. Als Alternative zur Klammer gibt es den Schrägstrich. Wie hier in diesem Satz: «Les traducteurs/trices ont une véritable passion pour les langues.»

  3. Diese Variante lässt sich mit einem Bindestrich deklinieren: «Les habitants/-tes du village se mobilisent.»

  4. Drei Möglichkeiten sind aber nicht genug. ? Auch der point médian ist sehr beliebt. Dies ergibt dann folgenden Satz: «Bonjour à tou·te·s, soyez les bienvenu·e·s, nous remercions chaleureusement les intervenant·e·s de la réunion d’hier, merci à eux·elles.» Ich hatte am Anfang Mühe mit dieser Schreibweise, aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt.

  5. Statt diesem «Mittelpunkt» kann man auch einen point bas benutzen. Das sieht dann so aus: «Beaucoup d’adolescent.e.s ne sont pas conscient.e.s du temps qu’ils.elles passent sur leurs écrans.»

  6. Dazu kommt noch die geschlechtsneutrale Formulierung. In diesem Fall werden Wörter ausgewählt, die sowohl für Frauen als auch für Männer passen. Der Begriff «spécialiste» ist zum Beispiel geschlechtsneutral und kann ganz gut für «professionnel, professionnelle» verwendet werden.

  7. Ebenso gibt es natürlich die Möglichkeit, beide Vollformen zu benutzen: «Les autrices et les auteurs de romans rêvent de participer à ce salon.»

Ja, es ist erstaunlich, wie viele Optionen es beim Gendern auf Französisch gibt. Auch in der Umsetzung kann man verschiedene Schreibweisen feststellen. Ich denke hier an den point médian. Da findet sich sowohl die Schreibweise «serein·e·s» als auch die Form «serein·es». Und vielleicht wird es in Zukunft noch weitere Ansätze für die gendergerechte Sprache geben.

Legen Sie Ihre Entscheidung fest

Eine «offizielle» Empfehlung existiert nicht in Frankreich, denn die Académie française hat sich (leider) gegen das Gendern ausgesprochen. Für die Westschweiz gibt es unterschiedliche Quellen.

Umso wichtiger ist es, dass Sie sich intern auf eine Option einigen (Gendern ja oder nein – und wenn ja, wie), falls Sie öfter französischsprachige Texte veröffentlichen. Diese Entscheidung sollten Sie in Ihren Styleguides sowie auch, falls vorhanden, in der französischsprachigen Version Ihrer Corporate Language festhalten. So bleiben Ihre Texte immer einheitlich – und Ihre Textschaffenden sowie Ihre Übersetzer/-innen wissen auch stets Bescheid.

Falls Sie Unterstützung bei Ihrer Entscheidung benötigen, sind wir gerne für Sie da!

Das Thema Gendern auf Französisch bleibt auf jeden Fall spannend, und ich werde die Entwicklung dieses Aspekts der französischen Sprache mit viel Interesse verfolgen.

Übrigens: Diction hilft Ihnen gerne weiter, wenn es um den richtigen Einsatz inklusiver Sprache geht – gerne auch für Deutsch und Italienisch.

Natacha Szkudlarek, Übersetzerin Französisch

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