Wow, du kannst ja gut Italienisch!
Aufgewachsen bin ich mit Schweizer Italienisch, und in der italienischsprachigen Schweiz kommt man nicht besonders oft mit den anderen Varietäten der italienischen Sprache in Kontakt. Klar, man weiss, dass gegenüber dem «Land, wo die Zitronen blühen» lexikalische Unterschiede bestehen. Allein schon deshalb, weil Grenzgänger oder ins Tessin gezogene Italiener gewisse Wörter nicht auf Anhieb verstehen. Der Klassiker: «Natel» sorgt immer wieder für gerunzelte Stirnen. Aber das ergeht den Deutschen in der Deutschschweiz ja genauso.
Insbesondere im Süden Italiens wissen viele zudem gar nicht, dass man in der Schweiz überhaupt Italienisch spricht. Auf die Erwähnung, dass man aus der Schweiz kommt, folgt meistens ein erstauntes «Wow, du kannst ja gut Italienisch. Du sprichst aber schon auch Schweizerisch, oder?» Was genau unter «Schweizerisch» zu verstehen ist, wissen sie dann nicht. Meine Vermutung: Rätoromanisch. Aber da muss ich sie leider enttäuschen.
Ich sage Schweizerin, du verstehst Hamburger?
Da ich beim Zappen oder beim Radiohören auf italienischen Kanälen immer alles problemlos verstand, war ich mir vor meinem Aufenthalt in Bologna (Italien) ziemlich sicher gewesen, dass die Unterschiede zwischen italienischem und Schweizer Italienisch gering ausfallen. Und Regionalismen gibt es ja auch innerhalb Italiens. Spätestens als meine Mitbewohner in Bologna eines Tages jedoch beiläufig fragten, ob wir zum Abendessen «una svizzera» (eine Schweizerin!?) anbraten wollten, wurde ich eines Besseren belehrt. Davon ausgehend, dass sie damit nicht mich meinten, hätte das von einem knackigen Würstchen bis hin zu stinkendem Bergkäse für mich alles Mögliche sein können. Es war ein Hamburger. Dies blieb nicht das einzige Mal, dass wir mitten in einem Gespräch innehielten und einander fragend anschauten.
Ich verstehe dich, aber nicht richtig
Nach meinem Aufenthalt in der emilianischen Hauptstadt Bologna kam ich zum Schluss, dass ich die schriftliche Sprache in Italien einwandfrei verstand (abgesehen vom «burocratese», der Sprache der italienischen Bürokratie, welche auch für gemeinsterbliche Italiener nicht verständlich ist und einen Blogbeitrag für sich verdient). Mit den gesprochenen Regionalismen der Region tat ich mich jedoch schwer. So benutzt man dort für mich zunächst unverständliche Wörter für Müll («rusco» statt «immondizia»), Töggelikasten («calcio balilla» statt «footbalino»), Einkaufstüte («sportina» statt «sacchetto») usw. Amüsant waren auch Ausdrücke, die ich zwar kannte, aber in einer anderen Bedeutung. Als ich einmal in die Runde fragte, ob jemand eine «cicca» (ein Kaugummi) wolle, sah man mich skeptisch an. Was ich nicht wusste: Unter «cicca» versteht man in Italien einen Zigarettenstummel (im Tessin «mozzicone»). Ja, logisch!
Manchmal gab es schlichtweg kein schweizerisches Pendant. Als meine Freunde vier Stockwerke unter mir vor der Tür standen und in die Fernsprechanlage jaulten: «Ehi, dammi il tiro!», konnte ich das nur wörtlich als «Hey, zieh mal!» interpretieren. Es bedeutet jedoch einfach: «Mach die Tür auf!» (oder besser: «Drück den Türöffner-Knopf!»). Die Bezeichnung für Türöffner-Knopf «tiro» (von «ziehen», «Zug») geht auf alte Zeiten zurück, als zahlreiche Häuser Bolognas über eine Türöffnungsanlage verfügten, die durch eine Schnur oder einer Kette betätigt wurde.
Schweizer Italienisch? Die Italiener schmunzeln!
Die grösste Kommunikationshürde waren jedoch meine helvetischen Ausdrücke. Sie ernteten meist ein ungläubiges Lächeln. Tatsache ist, dass zahlreiche Begriffe aus dem Schweizer Italienisch für Italiener ohne Erklärung schlicht nicht verständlich und oft auch nach einer genauen Erläuterung nicht ganz nachvollziehbar sind. So zum Beispiel die Schweizer Variante von Strumpfhose («ghette» statt «calzamaglia». In Italien sind «ghette» Gamaschen), Haushalt («fuoco», was auch Feuer heisst, statt «nucleo familiare»), Mehrfachstecker («ladro» statt «ciabatta». Auch dies führt oft zu erstaunten Blicken, da «ladro» in Italien Dieb heisst und man in der italienischsprachigen Schweiz unter «ciabatta» nur Hausschuh versteht).
Andere Helvetismen sind auf Eigenmarken zurückzuführen, die in Italien nicht verbreitet sind zum Beispiel «Tipp-Ex» statt «bianchetto», «Zacky-boy» statt «decespugliatore» (Rasentrimmer) oder «Sagex» statt «polistirolo espanso» (Styropor).
Dann gibt es noch Helvetismen, die für die Italiener einfach falsch sind, so etwa die Wettervorhersage («meteo»), welche in Italien maskulin, in der italienischen Schweiz feminin ist. Der grösste Teil der Helvetismen sind jedoch aufgrund der geografischen Nähe zu anderen Sprachen Lehnübersetzungen. Zum Beispiel «trotinette» (aus dem Deutschen) statt «monopattino», «a coté» und «classeur» (aus dem Französischen) statt «a lato» und «raccoglitore». Es gäbe noch unzählige weitere Beispiele, die ich an dieser Stelle aufführen könnte… you get the idea.
Warum ist es wichtig, die Besonderheiten im Schweizer Italienisch zu kennen?
Schweizer Italienisch weist also zahlreiche Eigenarten auf, die in Übersetzungen unbedingt berücksichtigt werden müssen, damit die Texte von den Tessinern und Südbündnern als idiomatisch wahrgenommen werden und sie sich damit identifizieren können. Ein «falsches» Wort könnte den Marketingeffekt verfälschen, da unter den Nutzern der Eindruck entstünde, dass die Werbung nicht auf die Schweiz zugeschnitten wurde. Falls Sie also mal etwas speziell fürs Tessin haben oder wenn Sie einen Text aus Italien für die Schweiz umschreiben lassen möchten (oder umgekehrt) – Sie sehen ja, wir sind leid- und natürlich auch freudgeprüfte Profis und kennen alle Feinheiten.
Italienisch-Team
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